die erste brennende Kerze am AdventskranzAm Adventskranz brennt seit gestern die erste Kerze. Und Frauen und Mütter brennen in dieser Zeit besonders schnell aus.
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Vorschläge zur gerechteren Aufteilung von Sorgearbeit

Ich wünsche Ihnen nachträglich einen wundervollen ersten Adventssonntag und hoffe, Sie konnten ihn ausgiebig genießen. Für viele von uns ist das nämlich gar nicht so selbstverständlich.

In der Vorweihnachtszeit wird besonders deutlich, was in unserem Alltag schief läuft: Adventskranz, Adventskalender für alle Familienmitglieder und Nikolausgeschenke besorgen, ans Schuheputzen denken und das mit den Kindern umsetzen, für alle Familienmitglieder passende Weihnachtsgeschenke überlegen, besorgen und schön einpacken, die Kommunikation darüber, welcher Feiertag wo und mit wem verbracht wird – das alles ist (überwiegend) Frauen- und Müttersache, auch heute noch. Hier kristallisiert sich aber nur heraus, was im restlichen Jahr unbeachtet einfach nebenher läuft: Planung und Organisation des Alltags und die Summe der vielen zu erledigenden Kleinigkeiten, Gefühlsarbeit, Erziehung und Pflege von Angehörigen (kurz: Sorgearbeit) lasten (in Hetero-Beziehungen) zu einem großen Teil auf den Schultern der Frauen. Die Ungleichverteilung der Sorgearbeit wird „Gender Care Gap“ genannt.

Diese Schieflage zu beheben kann nicht Aufgabe der einzelnen Frauen, sondern muss eine gesamtgesellschaftliche sein. Es hilft nicht, sich in Vorwürfen und Konjunktiven über Erziehung und Sozialisierung zu verlieren, wir müssen vielmehr konstruktive Vorschläge erbringen, um es in Zukunft besser zu machen. Eine meiner Ideen ist eine Reform des Elterngelds. Es soll keine finanziellen Anreize mehr für eine ungleiche Aufteilung von Elternzeit abhängig vom Gehalt der jeweiligen Elternteile geben. Da Männer meist mehr verdienen, wird oft entschieden, dass die Frau Elternzeit macht. Dieser Anreiz soll verschwinden. Als Berechnungsgrundlage sollen nicht die einzelnen Gehälter, sondern das gesamte Haushaltseinkommen dienen. Mit solchen kleinen Stellschrauben müssen wir alle gemeinsam an einer gleichberechtigteren Zukunft arbeiten. Lassen Sie uns in dieser Vorweihnachtszeit darauf achten, dass wir uns die Hilfe einfordern, die uns zusteht.

Zum Hintergrund: In Privathaushalten leisten Frauen 52,4 % mehr Familien- und Sorgearbeit als Männer. Je körpernäher die Sorgetätigkeit ist, desto größer ist das Ungleichgewicht. In Familien mit kleinen Kindern steigt diese Zahl auf bis zu 110% durch Frauen mehr geleistete Sorgearbeit; in absoluten Zahlen sind das bis zu zweieinhalb Stunden täglich.

Und auch über 80 % der beruflichen Care-Arbeit in Deutschland wird laut Zahlen des statistischen Bundesamts von Frauen geleistet. Ihr Anteil liegt in Kindertagesstätten bei 96 % und in Grundschulen bei 90 %, private Pflegedienste 87 %, Krankenhäuser und Pflegeheime 85 %, Reinigungswesen 75 % – im Gesamtdurchschnitt sind es 84%. Über 50 % der Frauen im Alter zwischen 30 und 65 Jahren arbeiten in Teilzeit, doch nur gut 7 % der berufstätigen Männer. Nicht angemeldete Arbeit, sogenannte „Schattenarbeit“, ergibt noch einmal eine vermutlich hohe Dunkelziffer.

Und was ist schlimm daran? Dass die private Sorgearbeit gar nicht und die berufliche im Vergleich zu Tätigkeiten in anderen Branchen wesentlich schlechter vergütet wird. Frauen haben also nicht nur mehr Arbeit zu erledigen, sondern hierdurch auch noch finanzielle Einbußen zu verbuchen, siehe Stichworte „Gender Pay Gap“ und „Gender Pension Gap“: Darüber hinaus bleibt Frauen so im Schnitt weniger Freizeit für Ehrenamt, Hobby oder schlicht Erholung.

Mehr Informationen und Beispiele rund um die genannten Zahlen bringt zum Beispiel die Initiative „Equal Care Day“ (https://equalcareday.de/).

Save the Date: Der „Equal Care Day“ wird 2023 am 1. März begangen. Weil Sorgearbeit überwiegend unsichtbar ist, wird sie wie der Schalttag 29. Februar oft übergangen. Daher findet der“ Equal Care Day“ am 29. Februar in Schaltjahren und in allen anderen Jahren am 1. März statt. Der „Equal Care Day“ liegt auch deshalb auf dem 29. Februar, weil Sorgearbeit zu 80% von Frauen übernommen wird, ob im Privaten, im Ehrenamt oder im professionellen Bereich. Männer übernehmen also 20% und brauchen damit vier Mal so lange, um denselben Umfang an Sorgearbeit beizutragen.

Haben Sie andere Ideen, Anregungen oder Kritik? Ich freue mich auf Ihre Email an mail@mahlsdorf-morgen.de!